Es gibt die Goldmarie und die Pechmarie. Zumindest in Grimms Märchen.
Und dann gibt es noch die SandMarie. Die sitzt manchmal auf einer emiratischen Düne und lässt den Sand durch ihre Finger rinnen. So wie die Sandkörner herab, fließen dann gelegentlich Buchstaben durch ihren Sinn, welche sich zu Worten und Sätzen fügen: Über das Leben allgemein, das Leben als Expat in den Emiraten, über Menschen, Bücher (z.B. mein eigenes, s.o.), Erlebnisse....

Montag, 28. September 2015

Ruhe und Natürlichkeit auf Dalma Island


Fischerhafen von Dalma Island

 
Den Abzweig zur Fähre vom Festland bei Ruwais kann man kaum verfehlen.

Ich hatte ja so meine Zweifel. Es war nämlich beschlossen, dass wir einmal Dalma Island erkunden (Link), manchmal auch "Delma Island" geschrieben. Denn die "Delma Mall" in Abu Dhabi kennt jeder; die namensgebende Insel vor der Küste des Emirats, nahe der saudischen Grenze, hingegen kaum jemand. Informationen, welche ich im Vorfeld über das Eiland aufzutreiben versuchte, nahmen sich jedoch bedenklich spärlich aus: Ca. 6000 Einwohner, 1 Museum, 1 Airport, 1 Tankstelle, 1 Motel, einige Schulen, 1 Hospital. Also, um es einmal euphemistisch auszudrücken: Nicht viel.
Entsprechend "begeistert" zeigten sich natürlich unsere Töchter: Auf einen Trip nach "Nirgendwo" waren sie nicht gerade begierig... Doch die Eid-Al-Adha-Feiertage boten sich geradezu dafür an. Und immerhin nährten die Neugier zumindest eine Reihe prähistorischer Ausgrabungsstätten auf Dalma Island, die über 6000 Jahre alt und damit die ältesten Siedlungsnachweise der VAE sind.

Um es vorweg zu nehmen: Im Großen und Ganzen stimmen die Angaben schon. "Viel" an Unterhaltung und Erlebnisangeboten gibt es auf Dalma Island in der Tat nicht. Dennoch möchte ich Ihnen diesen Ausflug gern ans Herz legen. Aus einem Grunde: Es ist dort ursprünlicher als das meiste, was man in den Emiraten sonst so zu sehen bekommt. Es gibt herrlich einsame Sandstrände. Stille, Fischerboote, Weite fürs Auge. Und außerdem kann doch jeder, der aufmerksam ist, selbst in Details Witziges oder Reizvolles entdecken!

Diese schicken Autofähren verkehren wochentags drei Mal täglich zwischen Festand und Insel und zurück.

Die Autobahn von Abu Dhabi nach Jebel Dhanna, wo die Fähre übersetzt, dauert ca. 2 Stunden und verläuft normalerweise ereignisarm fürs Auge. Die Autofähre bietet unten Platz für ca. 40 Wagen, oberhalb kann man in einem klimatisierten, und noch darüber auf einem herrlich windigen Oberdeck komfortabel sitzen und die rd. zwei Stunden Fahrt nach Dalma Island genießen, verschlafen oder mit Tom&Jerry & Co. auf dem Flachbildschirm verleben....

.... im Hintergrund
Motel-Lobby
Das "Dalma Motel" ist die einzige Touristenunterkunft auf der Insel. Nach den wenigen Informationen, welche sich vorab finden ließen, erwarteten wir eigentlich schon das Schlimmste... (eingedenk z.B. eines Rucksacktrips durch Mittelamerika vor vielen Jahren - und der dort erlebten "Unterkünfte" inklusive Schimmel, fehlender Fenster und Türen etc.).





Doch die Herberge hier stellte sich als völlig akzeptabel heraus - selbst wenn der Zimmerpreis mangels Konkurrenz bisschen übertrieben erscheint.Auch wenn Emirats-Reisende gewöhnlich von 5-Sterne-Luxus verwöhnt sind, bietet das kleine Hotel doch recht große, saubere Zimmer (teils mit Meerblick), welche jeweils mit zwei Doppelbetten, AC, Bad, Kühlschrank, Wasserkocher, Flatscreen-TV (mit einigen hundert Sendern) sowie W-Lan ausgestattet sind. Im Haus befindet sich ein kleines Restaurant.
 
 Die Insel ist mit dem Auto in ca. 45 Minuten umrundet. In der kühleren Jahreszeit macht das sicherlich auch mit dem Fahrrad oder sogar als Langstreckenlauf Spaß, könnte ich mir vorstellen!


Auf der einen Seite hat man dabei lange, gelbe Strände, die zum Campen einladen, auf der anderen wild getürmtes, mondmäßig karg anmutendes Gestein vulkanischen Ursprungs. Die Hauptsiedlung, einst von Perlenfischern begründet, zieht sich um den südlich gelegenen Hafen herum, im Inselinneren gibt es eine weitere kleine.
Unwegsames Inselinneres aus vulkanischem Gestein

Siedlung im "Landesinneren" - das Meer kann man jedoch von überall her sehen
Das "Zentrum" des sozio-kulturellen Lebens, wenn man so will, stellt eine kleine, recht heruntergekommene Shoppingmall dar, in welcher eigentlich nur noch der große Supermarkt geöffnet ist. Zu gern hätte ich ja im "Delma Bucks Café" einen großen Milchkaffee getrunken - aber auch das schien dauerhaft geschlossen. Mit Abstand das größte Gebäude (neben der neuen Moschee) auf Dalma Island ist das Gericht! - was mich zu Mutmaßungen hinriss, wozu eine so kleine Gemeinde wohl ein so großes Justizgebäude benötigt?!


"Großer" Name, kleines Gebäude: "Ministry of Culture, Youth & Community Development Centre Delma"

Wie gern wäre ich in bei diesem "Bruder" mit dem originell einer recht großen, internationalen Kaffeegetränke-Kette nachempfundenen Namen eigekehrt! Leider scheint das Café schon wieder geschlossen worden zu sein....


Im Fischerhafen kann man den (zumeist indischen Gastarbeiter-)Fischern dabei zusehen, wie sie ihre Reusen flicken, mit Ködern für die nächste Fahrt bestücken oder das Boot reinigen; auch einige Dhaus waren darunter. Leider (für mich) oder zum Glück (für die Gesundheit der Taucher) ist die altehrwürdige Perlenfischerei wohl längst gänzlich eingestellt...

Die Fischerei wird überwiegend von Arbeitern aus Indien und Bangladesh betrieben. Hier: Netzeflicken und Schwatzen.

So kommt der Köder in die Fischreuse.
Den geistigen Höhepunkt eines Inselbesuchs stellt sicherlich das Museum dar. Um hineinzukommen, haben wir einfach am Hafen irgend jemanden angesprochen, der jemanden kannte, der wiederum die Telefonnummer von jemandem hat, welcher den ägyptischen Archäologen und Tourguide Mr. Abdullah kennt. Jener war zwar leider gerade selbst in die Eid-Ferien gefahren. Doch entsandte man einen freundlichen Inder acht Uhr abends mit dem Schlüssel zum Museum.
Als wir clock acht ankamen, erwartete er uns bereits. Das Museum, 1931 vom Perlenhändler Muhammad Bin Jasim Al-Muraykhi als sein Wohnhaus erbaut, ist für heutige Verhältnisse klein; allerdings die Ausstellung doch recht liebevoll und umfassend zusammengetragen: Alte Haushaltgeräte, geologische Proben, historische Münzen, Schmuck, Waffen, Fischereizubehör, hier beheimatete Tiere,... Ganz in der Nähe des Heimatmuseums befinden sich auch drei alte, kleine Moscheen in der Bautradition der Golfanrainer: Flach, rechteckig, ohne Kuppel und Minarett!

Museum von Delma Island von außen....

... und innen. Ein kurzer und kurzweiliger "Rundgang" über das Eiland und seine jahrtausendealte Geschichte.

Schade, dass die Exponate nicht etwas ausführlicher beschriftet sind. Anstatt des Schildchens "Töpferei-Bruchstücke" (was man auch selbst unschwer erkennen kann...) hätte ich mir Epochen- oder Altersangaben gewünscht. Etwa dazu, wie viele Jahrhunderte oder gar Jahrtausende solch eine ausgestellte Scherbe wohl auf dem "Buckel" hat, aus welcher Himmelsrichtung, welcher alten Kultur das gute Stück über Handelswege einst dann auf Dalma Island landete... Hier wurden nämlich  Feuersteinwerkzeuge sowie Töpferwaren aus der mesopotamischen Ubaid-Periode gefunden - und die ist über 6.000 Jahre her!

Romantik ist da, wo man sie selbst sucht und... findet! Da das "Lebanon Palace Restaurant" (in der Shoppingmall) nicht so wahnsinnig einladend aussah wie es vielleicht klingt, haben wir uns dort zum Abendessen solch "übliche Verdächtige" wie Hommos, Tabbouleh, Fattoush, Kebab, Burger und Fladenbrot nur abgeholt und sind zum Sonnenuntergang an den menschenleeren Strand gegangen.
So war denn schließlich die ganze Familie Döhring wieder friedlich vereint: Im orange-rosa-gelb-roten Schein der letzten Strahlen, an der Wasserlinie des spiegelglatten Arabischen Golfs.

Endlos lange, menschenleere Strände...

... hie und da findet sich sogar die fürs Foto obligatorische Südseeromantik-Palme!

Ein anschließendes Bad im flachen Wasser bewies: So Badewannen-warm im offenen Meer baden kann man wohl nur hierzulande! Ich gebe ja zu, dass viele Jahre in tropischen Gefilden mich dauerhaft für einen normalen mitteleuropäischen "Badespaß" (à la 20 Grad kaltes Ostseewasser.... brrrr!) verdorben haben. Ich dümpelte also vor Delma im ca. 38 Grad warmen Meereswasser unterm Sternenhimmel vor mich hin und fand es einfach nur: herrlich!

Zusammenfassend kann man sagen: Gerade wer als Emirate-Expat einmal genug hat vom Millionenstadt-Hype, und wer darüber hinaus auch für das eigene Empfinden auf der Suche nach Ruhe und Abgeschiedenheit vielleicht schon einmal zu oft in der Wüste war - dem sei die bescheidene Natürlichkeit der Dalma-Island-Strände ans Herz gelegt!

Das Straßenschild warf für mich einige Fragen auf: In der Richtung, wo "Exit" dransteht, ist nämlich nur offenes Meer!...