Es gibt die Goldmarie und die Pechmarie. Zumindest in Grimms Märchen.
Und dann gibt es noch die SandMarie. Die sitzt manchmal auf einer emiratischen Düne und lässt den Sand durch ihre Finger rinnen. So wie die Sandkörner herab, fließen dann gelegentlich Buchstaben durch ihren Sinn, welche sich zu Worten und Sätzen fügen: Über das Leben allgemein, das Leben als Expat in den Emiraten, über Menschen, Bücher (z.B. mein eigenes, s.o.), Erlebnisse....

Montag, 26. Februar 2018

* * * ZUGABE // ENCORE! * * *


Draußen sind gerade - 12°C. MINUS! Nicht ungewöhnlich für einen deutschen Winter. Doch ich habe solche Kälte einige Jahre lang ja nicht mehr erlebt.
Dabei wärmten mich noch vor wenigen Tagen Sonnenstrahlen bei kuscheligen 30°C (plus) ...


"Ich bin wieder da!!!"

Als  - bis dahin zeitweilige - Einwohner hatten meine Familie und ich Ende Juni 2017 Abu Dhabi und damit die Emirate wieder verlassen. Als Touristen kamen wir nun Mitte Februar für zehn Tage zurück. Und darum gibt es hier nun eine kleine Zugabe mit Eindrücken und Gedanken über: 'Wie es so ist, als Gast ins alte Zuhause wiederzukommen'.

Seltsame Parallelität der Empfindungen, vom ersten Moment an nach der Landung auf dem Flughafen: Jedes Haus, jede Straßenkurve, jede Palme, jede Blumenrabatte ist vertraut. Und doch: Dort, eine neue Baustelle, ein neues Geschäft, eine neue Grünanlage!
Dieses Mal ist doch auch alles genauso - wie mein Alltag die fünf Jahre zuvor. Und: Auf einmal wieder alles anders  - als die Umgebung des letzten halben Jahres in Deutschland. Dieses Überblenden des "Besucher-" und des "Zuhause-"Gefühls an beiden Orten wird all die Tage meiner Visite in Abu Dhabi und Dubai bestehen bleiben.
Eigenartig, nun selbst als Touristen viele Orte zu besichtigen, welche man sonst immer den Besuchern aus Europa gezeigt hatte; so auch die unvergleichliche Sheikh Zayed Moschee. 
 
die größten Kronleuchter der Welt ...
Selfie vor der Moscheebesichtigung



... wundervolle Edelstein-Intarsien überall
Blick über den gewaltigen Innenhof der Sheikh Zayed Grand Mosque Abu Dhabi


Die arabische Sonne bei 28 Grad war dennoch nicht das Wärmste bei unserer Visite. Das waren die alten Freunde, die uns so ein herzliches Wiedersehen bescherten. Wie schön, vertraute Gesichter in üblicher Runde an gewohntem Platz versammelt zu finden - und das einzig zum Zwecke, meine Töchter, meinen Mann und mich wiederzusehen!
Alle noch in Abu Dhabi lebenden Freunde, die an jenem Wochenende vor Ort waren, kamen extra zu einer kleinen Feier uns zu Ehren. Wunderbar, all die Menschen "wie immer" zu erleben, mit denen wir so viele fröhliche, aufregende, vertraute, lustige oder eindrucksvolle Momente gemeinsam verbracht hatten!  Auch unsere Töchter wurden sehr freudig von ihren alten Freunden begrüßt. Alles teils sehr emotionale Augenblicke. Und dennoch auch schön zu sehen, dass - mit wie ohne uns - das Leben in Abu Dhabi natürlich "weitergeht".


Gold, Gold und nochmals Blattgold: Hotel Emirates Palace Abu Dhabi

Doch nicht nur die engen Weggefährten der letzten fünf Jahre bescherten uns ein liebevolles Welcome back!  Wie schön ist es doch, wenn man mit einem (fremden, weil Miet-) Auto in unserem ehemaligen Wohncompound ankommt - und der Wachmann am Eingang eigens aus seinem Pförtnerhäuschen springt, um einen freudig zu begrüßen! Einige Verkäuferinnen im nahen Supermarkt rufen uns beim Kassieren ein erfreutes "Hello back!" zu. Als ich die philippinische Rezeptionistin im Sportzentrum umarme, stehen ihr über das unvermittelte Wiedersehen gar Freudentränen in den Augen ...


 Auch mal "nur" Tourist sein: Wüstensafari einmal anders


























Spaß macht ja auch, wenn man als "Nun-nur-Tourist" dann selbst einmal das "Touri-Programm" macht. Zumal wir sogar noch einen 'echten' aus Deutschland als Reisebegleitung mitgebracht hatten.
Wir unternahmen mit DesertRose eine halbtägige Wüstensafari gemeinsam mit ca. zweihundert anderen Touristen. Auf solch einer Tour bekommt man gewissermaßen im Taschenformat das 1001-Nacht-Feeling gereicht, inklusive Dune Bashing. Das bedeutet: Im Geländewagen mit Fahrer die Dünen rauf und runter wie in einer Achterbahn; "früher" haben wir das mit Freunden öfters an Wochenenden ja noch selbst gemacht.

Die obligatorische Kamelfarm mit Kamelbabys bestaunen, Wüstencamp mit arabischem Kaffee, Henna-Malerei für die Damen und Verkleidung mittels arabischem Herrengewands samt Falken auf der Hand für die Männer. Mit Sonnenuntergangsfotos auf dem Dünenkamm, mit Sand unter nackten Füßen und in den Haaren, mit orientalischem Bufett (keine emiratischen, dafür bekannte libanesische Speisen wie Hummus und Tabbouleh), mit einem illuminierten Derwischtanz und einer (natürlich nicht-emiratischen) Bauchtänzerin. Zuletzt 'Licht aus!' für den Blick in den betörenden Wüsten-Sternenhimmel! Alles in allem ein nicht ganz authentischer, aber sehr stimmungsvoller Kurzbesuch. Wir hatten Spaß daran.


 Schließlich: Visite im Louvre Abu Dhabi

 

Als wir 2012 nach Abu Dhabi zogen, gab es bereits allerhand Werbung für den "bald"  eröffnenden Louvre Abu Dhabi, der in enger Kooperation mit dem in Paris entstand und auch weiter zusammenarbeitet. Die folgenden Jahre beobachteten wir regelmäßig den Baufortschritt (bzw. von außen die Vollendung des Architektur-Highlights) auf der Fahrt nach Saadiayt Island, jener Teilinsel von Abu Dhabi, auf welcher das Museum seinen Standort fand.
Doch feierlich in Anwesenheit des Kronprinzen Sheikh Muhammad bin Zayed al Nahyan und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron eingeweiht wurde der Prachtbau doch erst nach unserer Ausreise, im November 2017. Ganz klar, dass wir diesen Ort natürlich bei unserer kurzen Rückkehr nun erleben wollten!



Der Louvre Abu Dhabi lässt mit der halbtransparenten Deckenkonstruktion Lichtspiele in ständig neuen Variationen zu - je nach Sonnenstand und Färbung des Meeres, dessen Wellen "in" das Museum bzw. auf dessen Stufen hineinschwappen!
 
Das von Stararchitekt Jean Nouvel entworfene Gebäude ist spektakulär. Die 180 m weite Flachkuppel ruht tatsächlich nur auf vier Punkten! Während sich in 55 Kuben, einer arabischen Stadt nachempfunden, die Exhibitionen befinden, eröffnet sich eine Seite des Runds zur großzügigen Wandelhalle unter halb-freiem Himmel, denn die netzartig aufgebaute Kuppel ist durchlässig und spendet so auch an heißen Tagen dank dieses "Licht-Regens" (Nouvel) Schatten, wobei bereits jedes leise Lüftchen für angenehmes Mikroklima sorgt.

Das Museum vereinigt in seinen Expositionen Kunstwerke unter einem ganz eigenen Konzept: Teils ähnliche Sujets von der vor-antiken Zeit bis ins 21. Jh. hinein werden oftmals - ungeachtet der Entstehungsepoche oder des Entstehungsortes und dessen Religion im Hintergrund - nebeneinander präsentiert. (Hier ein Link zur Grundidee auf der Homepage.) In einem separaten Raum liegen z.B. Prachtausgabe von Koran, Thora und Bibel in der gleichen Vitrine.
Die generell übergreifende Anordnung lässt philosophische Gedanken zum menschlichen Wesen und künstlerischen Schaffen genauso zu wie kunstgeschichtliche Erkenntnisse für den Betrachter. Bildende Kunst als kulturübergreifende Humanitätsidee. Dieses Konzept passt hervorragend zum kulturellen Schmelztiegel Vereinigte Arabische Emirate, in dem heute Menschen aus fast jeglicher Nation und Kultur der Erde friedlich zusammenleben.






Leonardo da Vinci 





Natürlich darf Napoleon nicht fehlen!
 


















 



 li. Tanzender Shiva / re: zweiköpfige Jungsteinzeit-Statue, Jordanien, eine der ältesten überhaupt

 

Die "kleinen Freuden" der zeitweiligen Rückkehr


Neben Hochkultur und den Treffen mit lieben Freunden und Bekannten stand selbstredend auch die rein private Erinnerungstour auf unserem Programm, inklusive eines Tages in Dubai. Natürlich die Dubai-Mall mit dem gigantischen Aquarium, mit Zuckerschock im Candylicious und den abendlichen Wasserspielen mit Blick auf den illuminierten Burj Khalifa. Aber auch Wandeln durch die Ibn-Battuta-Mall - allerdings nicht auf Konsum-Pfanden, sondern auf den Spuren des großen arabischen Forschungsreisenden und Gelehrten Ibn Battuta im christl. 14. Jh.! Auch ein Wiedersehen mit den frei fliegenden tropischen Vögeln, mit Äffchen, Faultier und Waranen hatten wir eingeplant - im "Green Planet", einer künstlichen Regenwald-Biosphäre.


Brunch mit Pancakes, Vegan-Burger, Falafel Benedikte, Lemon Mint, Melonensaft und mehr ...

Nicht zu vergessen: Gaumen-"Wiedererlebnisse"! Wer kennt das nicht - ein Geschmack aus der Kindheit, ein Gericht aus einem früheren Urlaubsort ...
Noch nicht so lange her für uns, doch die Liste der Töchter war lang, woran unsere Geschmacksknospen unbedingt wiedererinnert werden sollten: Mittagessen in der Cheesecake-Factory (einschließlich Kerze auf der Torte sowie philippinischem Kellnerchor, welcher der Jüngeren ein Geburstagsständchen brachte!), Lemon Mint und die besten Falafel in einem Café, legendäre Burger bei ShakeShack, Schokoladenträume bei Godiva,...
Sogar ein Supermarkt-Besuch stand auf unserer To-do-Liste: Für das "heimelige Gefühl" sowie den Einkauf von guten Datteln, Gewürzen und bestimmten amerikanischen Keksen und Chips, die in Deutschland nicht erhältlich sind. Auch DAS kann eben umgekehrter "Heimat"-Urlaub sein.  :-)


Abendstimmung am Saadiyat Beach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vom Gefühl paralleler Leben


Und dann haben wir wieder Abschied genommen vom "alten" Zuhause und sind geflogen in das "neue", das doch noch sehr neu ist. Denn innerhalb des letzten halben Jahres seit unserer Heimkehr nach Deutschland mussten wir dreimal umziehen und sind in der nunmehrigen, endgültigen Wohnung noch beim Auspacken des Umzugsguts und beim Einrichten. Dies trug, neben Winterskälte und der Reserviertheit und Belehrungssucht mancher Deutscher, mit zum Eindruck eines recht "rauen" Zurückkehrens bei.
Wenn demnächst unser Umzug endgültig erledigt ist, wenn ein paar alte Freund- und Bekanntschaften aufgefrischt und hoffentlich auch ein paar neue geknüpft sind, dann werden wir wohl auch schließlich hier (wieder) in Dresden, in Sachsen, in Deutschland heimisch werden!

Die Tage "Abu Dhabi rewind" waren für mich eine wilde Achterbahnfahrt der Gefühle zwischen "Ha, alles wie immer!" und Heimweh, zwischen Entdecken von Neuem und Wiedererkennen, zwischen Fremdheit, Distanz und immer noch Zugehörigkeit, zwischen Melancholie und großer Freude.


Um Neumond herum nachts in Blau: Die Große Moschee von Abu Dhabi


Was bleibt, ist das gute Wissen, dass das alles nach wie vor existiert, was ich früher als Expat oft als mein "paralleles Leben" bezeichnete - der Wechsel zwischen zwei verschiedenen "Zuhauses" über Kontinente hinweg. Die Plätze und Bauten, die Kulturhöhepunkte und Leckereien, vor allem aber die lieben Menschen, die wir an einem Ort zurückgelassen haben, sind weiter dort. 
Mein Lebensabschnitt in den Emiraten mag beendet sein, aber er ist nicht "weg". So, wie im Louvre Abu Dhabi die Kunst "Leben" in unterschiedlichsten Perspektiven aus Raum und Zeit doch oft neu vereint, so ähnlich ist es auch mit den zeitlichen und räumlichen Facetten meines Lebens. 

Hier wie da geht es seinen Gang. Und da Jegliches gleichzeitig existiert, kann man (etwas Reisekasse vorausgesetzt) auch jederzeit hin- und herwechseln. Kein Abschied von Orten, von Wurzeln und Menschen muss einer für immer sein!

Mit diesem Wissen verabschiede ich mich hiermit freundlich von allen Lesern.



 
Fotos: Antje, Tina & Tanja Döhring