Es gibt die Goldmarie und die Pechmarie. Zumindest in Grimms Märchen.
Und dann gibt es noch die SandMarie. Die sitzt manchmal auf einer emiratischen Düne und lässt den Sand durch ihre Finger rinnen. So wie die Sandkörner herab, fließen dann gelegentlich Buchstaben durch ihren Sinn, welche sich zu Worten und Sätzen fügen: Über das Leben allgemein, das Leben als Expat in den Emiraten, über Menschen, Bücher (z.B. mein eigenes, s.o.), Erlebnisse....

Freitag, 29. Juli 2016

Wundervolles Deutschland. Und auch wieder nicht.



Der Duft des deutschen Waldes....

Wie schön ist es, einen geschlungenen Waldpfad entlangzuspazieren - durch die Wipfel der Laub- und Nadelbäume fallen zwischen dunklen Baumschatten zitternde Sonnenflecken auf den Weg, rechts plätschert unterhalb dichter Springkrautbüsche ein klarer Bach, links steigt saft von den vielen vertrockneten Nadeln fluffiger brauner Boden an, bewachsen von gelegentlichen Farnen und Pilzen, wenn man Glück hat... Und vor allem duftet es so frisch und würzig, wie eben nur ein sommerlicher Wald duften kann!

Ja - momentan ist Sommerpause in Deutschland angesagt. Die Groß-Familie ist mal wieder komplett. Alte und neuere Freunde werden besucht, europäische Kultur bis zum Anschlag genossen... Reich an natürlicher und architektonischer wie kultureller Vielfalt ist unsere Heimat allemal. Schön, erfüllend, ja sogar glücklich machend.

Und dann ist da doch eine Sache, die verunsichert. Eine große Anzahl von Gesichtern, die einem auf der Straße, in Läden und bei Veranstaltungen entgegen kommen. Griesgrämig, verbiestert, aus engen Augen geradezu darauf lauernd, dass man irgendetwas tut, das "man aber nicht macht!!!" (z.B. an der Supermarktkasse zu langsam mit dem Einpacken der Tüten sein o.ä.).


"Deutschland hat sich im punkto Lebensqualität enorm verbessert. Dass es als bevölkerungsreichstes Land Europas so nah an die Top-3-Länder Norwegen, Niederlande und Finnland herangerückt ist, ist eine beachtliche Leistung", sagt Heinrich Rentmeister, Partner und Managing Director bei BCG. "Die Länder, mit denen wir uns aufgrund der Größe vergleichen würden, zum Beispiel Frankreich, USA oder Großbritannien, stehen ganz anders da." (Quelle)

Diese Meldung fand ich vor kurzem in der Presse. Die Studie der Boston Consulting Group ergibt, dass Deutschland gerade in den letzten Jahren in diesem Bereich stark aufgeholt hat - und das allen Klagen über soziale Ungerechtigkeiten, Niedriglöhne oder -renten zum Trotz! Doch offensichtlich ist dies ein Klagen auf hohem Niveau – auf einem sehr hohen sogar. Im internationalen Ranking für wirtschaftliches Wohlergehen erzielt Deutschland mit dem 4. Platz sein bisher bestes Ergebnis; lediglich die bevölkerungstechnisch kleinen Ländern Norwegen, Finnland und die Niederlande bieten ihren Bewohnern noch größeren Wohlstand.


Für mich passt das nicht gut zusammen. Woher kommt es, dass es den Deutschen mehrheitlich in Sachen Wohlstand besser geht, als fast allen anderen Bewohnern dieses Planeten - und doch erschrecke ich jedes Mal, wenn ich nach einem Jahr in einem anderen (wirtschaftlich, politisch,... ) weniger günstig gestellten Land hierher komme und mir das auffällt. Aus einem Umfeld, wo fremde Menschen mir oder uns im Alltag - ungeachtet dessen, was diese Menschen möglicherweise selbst an Sorgen und Nöten mit sich herumtragen! - höflich, freundlich, sehr oft mit einem Lächeln begegnen.

"How are you?" grüßte ich einst, wie fast täglich, eine der einen stets fröhlich anstrahlenden nepalesischen Kassiererinnen in "meinem" Supermarkt. "Fine, and you?", kam die standartisierte, darum nicht weniger freundliche Antwort von ihr. Da ich wusste, dass am Tag zuvor ein schlimmes Erdbeben mit vielen Toten im Nepal gewütet hatte, fragte ich noch einmal nach: "Wirklich? Auch zu Hause alles gut?" Da erstarb kurz das Lächeln, das sonst jedem Kunden gilt: "Na ja, nicht wirklich.  Mein Dorf war betroffen. Momentan weiß noch keiner, ob meine Schwester noch lebt..." Ich sprach ihr einige Momente billiges Mitgefühl aus, bis der nächste Kunde seine Waren aufs Band sortierte. Auch diesem wurde auf seine Frage nach dem Befinden von der Kassiererin ein freundliches "Gut. Und Sie?" entgegengebracht.
Denn: Was geht es den Kunden an, dass man Kummer hat - er kann schließlich nichts dafür?!

Und dann, in der alten Heimat, tragen so viele das Gesicht dauerhaft zur Faust geballt. Bisschen traurig, das. Und nein - das ist keine möglicherweise aktuelle Reaktion auf die hässlichen Mordanschläge zuletzt in diesem Land; diese Beobachtung mache ich schon seit Jahren.


Wahllos herausgegriffene Begebenheiten


1) Ich gehe mit der kleineren Tochter im Dorf spazieren. Sie liebt Natur, erspäht jeden Marienkäfer, jeden kleinen Pilz, freut sich auch über diese hübsche Pfanze mit den weichhaarigen Blättern (ich nenne sie "Eselsohr", offiziell heißt das wohl Silberblatt). Kauert sich vor einem Eigenheim in den Rinnstein, weil vor dem Zaun eben so eine Pflanze die Ausfahrt mit hunderten dieser wolligen Blätter bewuchert und streichelt entzückt darüber.
Es schleicht sich von hinten zügig die ältliche Hausbesitzerin an. Als ich mich ihr zuwende ("Guten Tag!"), zischt sie mit verkniffenen Lippen ein süßliches: "Na - du pfückst hier wohl Blüüümchen?!"  Als ich erkläre, dass meine Tochter die weichen Blätter streichelt, ich habe das als Kind auch getan - sie wohl nie?!, erwiderte die Dame pikiert: "Nun ja, streicheln geht ja noch..."
Hallo?!? Die hatte wohl Angst, dass meine Tochter ihr Unkraut im Schnittgerinne klauen will.

2) Mit Tochter sowie meiner Freundin und deren Sohn sind wir Minigolf spielen. Schönes Wetter, überall Ferienkinder, lustiges Spiel. Man hat dort ungefähr fünfzehn verschiedene Golf"anlagen", dazu einen Laufzettel, wo man das jeweilige Ergebnis der Mitspieler vermerken kann.
Wir sind gerade an einem Loch angekommen - da stellt sich hinter uns ein Ehepaar und beobachtet mit Argusaugen jede unserer Bewegungen. Als unsere Kinder den Abschlag auch einmal mehr als vielleicht "reglementgemäß" üben, tuscheln sie sich mit finsterem Blick zu - absichtlich hörbar auch für uns - dass das aber "mehr als fünf Mal" waren! Meine Freundin wendete sich an die Leute und wies sie freundlich darauf hin, dass sie nicht zwingend warten müssten, bis wir alle vier an Loch 6 fertig sind. Sie könnten jederzeit auch erst einmal Loch neun, elf oder fünfzehn absolvieren, wo gerade niemand zugangen war... Am Ende sieht man ja auf den Laufzettel, was noch zu absolvieren ist.
Die Leute waren von diesem sinnvollen Vorschlag überhaupt nicht überzeugt. Sie "mussten" alles der Reihenfolge nach machen - und haben dabei bestimmt ewig gebraucht; die Zeit konnten sie dann bestimmt weiter zum grimmig Gucken und fiese Bemerkungen machen nutzen...

3) Der ergraute Autofahrer, der an einer Baustelle hinter mir am Hang in seinem schicken neuen BMW (sorry, kein Klischee, es war wirklich einer) zu warten genötigt ist. In der Reihe an mir vorbeiflutender Fahrzeuge entsteht eine kleine Lücke - ich kann jedoch (anders als der Herr hinter mir) bereits deren Fortsetzung an der nächsten Hügelkuppe sehen. Also warte ich - der schnittige Vorrentner hinter mir allerdings gibt mir ('vertranter Frau in ihrer alten Klapperkiste'....?!) mit wildem Gehupe zu verstehen, dass ich losfahren solle (und somit in den Gegenverkehr rauschen)!
Der Herr hat mich dann auch noch mit grimmigem Ausdruck an einer 70-km-Einschränkung mit bestimmt 100 Sachen überholen "müssen"; allerdings zuckelte er dann direkt vor mir die nächsten 20 km in der Autoschlange von Ampel zu Ampel...

Bleibt locker


Dreijährige brauchen feste, man kann schon fast sagen: rigide Regeln, um das Klein-klein des Alltags mitten in den turbulenten Ausbrüchen ihrer Trotzphase bewältigen lernen zu können und dadurch später selbstständige, erwachsene Menschen zu werden.
Wenn allerdings 60-jährige immer noch starr in kleinkarierten Regeln festhängen, frage ich mich besorgt, ob sie die Kleinkindphase geistig je verlassen haben?! Auf jeden Fall würde das auch vielleicht ein paar politische Tendenzen erkären...

Häufig hört man ja in Deutschland, "die Jugend" sei achtlos, unhöflich und rücksichtslos. Nun ja, ich kenne darüber keine statistischen Erhebungen. Was mir auf meinen kursorischen Stippvisiten jedoch auffällt, ist, dass - bis auf bestimmte Ausnahmen - fast alle Menschen unter ca. 40 mir in Deutschland nett und hilfbereit erscheinen, die haben auch mal ein freundliches Gesicht aufgesetzt
Grußlos, verbiestert und Beschimpfungen über "Vergehen", die nur sie selbst erkennen, vor sich hinmurmelnd - das sind fast immer eher Verteter der "älteren Generation"! Grauköpfe. Menschen, von denen man ja eigentlich eher lernen können sollte... üblicherweise  so etwas wie Liebe, Gelassenheit und Nachsicht beispielsweise.

Ich möchte sagen: Junge Leute - Bloß nicht! Bleibt heiter und offen, werdet bitte nie so kleinkariert, miesepetrig und verbittert wie diese Alten. (Und nein: nicht alle Alten hatten ein so viel schlimmeres Schicksal, als es manche Junge möglicherweise ja auch haben oder hatten....)

So, ich gehe jetzt eine Runde in den Wald! :-)